- Der Ort Stadt Wehlen
- Geschichte der Pfarre und des Pfarrhauses
- Das Pfarrhaus
- Das Pfarrgrundstück
- Konzept
Der Ort Stadt Wehlen
Das ehemalige Pfarrhaus zu Stadt Wehlen liegt innerhalb der kleinen Ortschaft, hinter dem historischen Markt am Schlossberghang.Stadt Wehlen, erstmals 1269 erwähnt, wird im Jahre 1346 erstmals ausdrücklich „Städtchen“ genannt und trägt seit 1527 die Bezeichnung „Stadt“ im Namen, wohl auch zu Unterscheidung zum benachbarten „Dorf Wehlen“. Trotz dieser langen Stadtgeschichte war Stadt Wehlen wohl nie mehr als ein kleiner Marktflecken im Schutze einer in der Mitte des 16. Jahrhunderts aufgelassenen Burg, die jedoch schon lange zuvor unbewohnt gewesen war.
Von 1289 an unterstand der Ort der böhmischen Krone, die ihn gemeinsam mit Schloß und Stadt Pirna im Jahre 1404 „für 3800 Schock guter böhmischer Groschen“ dem Markgrafen Wilhelm zu Meißen zum Pfand einsetzte, ohne dass sie jemals wieder eingelöst worden wäre. So ging Stadt Wehlen an die Meißnischen Fürsten über, danach in schneller Folge an die Herren von Salhausen, die von Schönburg und fiel schließlich an die sächsischen Herzöge.
Die relativ abgeschiedene Lage führte zu eine recht eigenständigen Entwicklung des Ortes, deren Folgen bis in unsere Tage reichen. Die Stadt wurde von Kriegen verschont, jedoch wiederholt vom Hochwasser heimgesucht und war über Jahrhunderte durch die Schiffahrt und den nahegelegenen Sandsteinbruch, jedoch auch durch Kleingewerbe wie Leineweberei und Schuhmacherei geprägt.
Noch heute ist die Ortschaft, von den Einwohnern liebevoll das „Wehlstädtel“ genannt, ein eher zum Flusse hin als ins Land hinein orientierter Sackgassenort, den man mit dem Fahrzeug nur durch ein eindrucksvolles, die Straße überbauendes Fachwerktorhaus erreichen kann.
Stadt Wehlen lebt weitgehend vom Tourismus, der seit dem 19. Jahrhundert hier Fuß gefasst hat, dies jedoch in einer sehr anmutigen und gemäßigten Art und Weise, und mit einem deutlichen jahreszeitlichen Gefälle.
Geschichte der Pfarre und des Pfarrhauses
Das Gebäude des ehemaligen Pfarrhauses befindet sich direkt neben den Resten der alten, im Winter 1883/1884 abgetragenen Kirche. Insofern ist mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass das Gebäude mit dem bereits in vorreformatorischer Zeit bezeugten Pfarrhaus, zumindest in den unteren Geschossen, identisch ist.Mit dem Tod des letzten katholischen Pfarrers im Jahre 1539 wurde, da der Ort zu klein war, um einen eigenen Pfarrer zu halten, das Städtchen als Filialgemeinde zu Dorf Wehlen geschlagen, wohin es bis 1759 eingepfarrt blieb. Das ehemalige Pfarrhaus dürfte in den ersten Jahren dem Kantor als Wohnung gedient haben.
Ab 1557 wurde das Haus nachweislich als Schule genutzt: „Indem aber dann das Städtlein zugenommen und so vermehrte, weswegen es eines Schulmeister, der Sonntags früh das Evangelium und zu Mittag den Katechismus lese als auch ihre Kinder in der Schule unterrichte, benötigte, sie aber ihm ein sonderliches Salarium wegen der wenig Einwohner nicht zu geben vermocht“. Der Schulmeister wurde entlohnt, in dem der Dorf Wehlener Pfarrer ersucht wurde, diesem die Pfarräcker und Wiesen, die erst 1539 durch die Aufgabe des Stadt Wehlener Pfarrhauses an die Dorf Wehlener Pfarre gefallen waren, „willig abzutreten“. „Dafür aber, weil der Pfarrer dieses alles von seinem eignen Einkommen gutwillig dahingegeben, so soll die ganze Gemeinde Stadt Wehlen gedachtem Pfarrer verstatten, dass er ohne alle Unkosten ein gut halbes Bier im Städtlein zu brauen und auf seiner Pfarre auszutrinken, alle Jahre, wenn’s ihm gefällig, sollte befugt sein.“
Ab 1759 hatte Stadt Wehlen wieder einen eigenen Pfarrer, der in einem extra angemieteten Hause oberhalb der Kirche wohnte. Erst 1766 wurde ein an der heutigen Rosenstraße gelegenes Haus vom Branntweinbrenner Petzold als Pfarrhaus erworben. Im Jahre 1861 wurden dann die damalige Pfarre in der Rosenstraße und die Schule nahe der Kirche miteinander vertauscht, „um Platz zu zwei Schulzimmern zu gewinnen, (da) dem Kantor Märkel ein Hilfslehrer beigegeben (worden war), welcher oft gleichzeitig mit ihm in demselben einzigen Klassenzimmer unterrichtete.“, so dass das alte Pfarrhaus nach 322 Jahren schließlich wieder als solches genutzt wurde.
Der letzte Stadt Wehlener Pfarrer, der noch selbst im Hause wohnte, schied 1990 aus dem Dienst. Danach beherbergte das Haus noch mehrere Jahre eine kirchliche Mitarbeiterwohnung und Gemeinderäume, der größte Teil des Gebäudes bleib jedoch ungenutzt.
Nach dem Elbehochwasser im Sommer 2002, das auch das Haus ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen und die Gemeinderäume unbenutzbar gemacht hatte, und dem Auszug der kirchlichen Mitarbeiterin im Herbst 2006 stand das Gebäude vollkommen leer.
Im Winter 2008, als die Pfarrerin des unweit gelegenen Ortes Rathewalde, in dem Offene Häuser das ehemalige kirchliche Rüstzeitheim als Herberge betreibt, die Vakanzverwaltung für die Pfarrstelle Stadt Wehlen innehatte, kam der Gedanke auf, Offene Häuser aufgrund der guten Erfahrungen in Rathewalde auch wegen der Übernahme des Pfarrhauses in Stadt Wehlen anzufragen.
Im Sommer 2010 hat Offene Häuser das Grundstück schließlich übernommen, um die Instandsetzung des Pfarrhauses fortzuführen und das Gebäude weiter auszubauen, damit es als Herberge und Begegnungsort, aber auch für Veranstaltungen der Kirchgemeinde genutzt werden kann.
Das Pfarrhaus
Das Pfarrhaus zu Stadt Wehlen liegt etwas versteckt in zweiter Reihe hinter der hauptsächlich vom Rathaus gebildeten nördlichen Marktseite des Städtchens. Trotz der verborgenen Lage ist es ein imposanter Bau, der zu den ältesten Gebäuden des Ortes zählt.Das giebelständige Haus ist an den steil ansteigenden Schloßberg gebaut und verfügt über fünf Etagen, deren drei unterste von verschiedenen Hangterrassen jeweils ebenerdig zugänglich sind.
Bislang konnten weder eine detaillierte bauhistorische Untersuchung noch dendrochronologische Untersuchungen durchgeführt werden, so dass sich die Beschreibung auf den Augenschein bezieht.
Das Gebäude ist über trapezfömigem Grundriß errichtet, der sich aus einem talseitig gelegenen quadratischen Korpus von reichlich zehn Metern Kantenlänge und beachtlicher Mauerstärke und einem sich hangseitig anschließenden trapezförmigen Bauteil zusammensetzt. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die heute quer durch das Gebäude verlaufende Trennwand ursprünglich eine Außenwand gewesen wäre.
Das Kellergeschoß, das sich nur über etwa ein Drittel der Tiefe des Gebäudes erstreckt, dürfte dort, wo es nicht von einem Garageneinbau aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts überformt ist, noch dem Mittelalter entstammen und war ursprünglich wohl über eine innenliegende Stiege mit dem Erdgeschoß verbunden.
Das Erdgeschoß erstreckt sich über die gesamte Tiefe des Gebäudes, hat jedoch im nördlichen Viertel wegen des dort ansteigenden Geländes und des ins Gebäude hineinreichenden Felsens nur eine eingeschränkte Kopfhöhe. Die Mauerstärke ist beachtlich, die Fensteröffnungen in der nördlichen Hälfte sehr klein – auch hier kann von einer mittelalterlichen Substanz ausgegangen werden. Im westlichen Bereich sind Reste von Gewölben und Bögen erhalten, die jedoch unter Zementputz aus jüngster Zeit schmählichst verborgen sind, so dass sich ihre Struktur nur schwer ablesen lässt. Der ehedem wohl als Stall und heute als Lagerraum genutzte Bereich dürfte noch manche bauhistorische Überraschungen bergen, sowohl das Außenmauerwerk, als auch Details wie eine stark profilierte, möglicherweise barocke, hölzerne Säule betreffend.
Das Obergeschoß, dessen Außenwände im östlichen Bereich massiv, im westlichen in Fachwerk ausgeführt sind, ist im Inneren durch die Wohnnutzung weitgehend überformt, jedoch dürfte die gegenwärtige Raumstruktur von der ursprünglichen nicht wesentlich abweichen. Die aufgebohlte Fachwerksichtfassade dürfte aus jüngerer Zeit stammen.
Das erste Dachgeschoß ist bislang mit Ausnahme eines Raumes nicht ausgebaut. Von wenigen Verschlägen und Trennwänden aus jüngerer Zeit abgesehen, ist hier der Eindruck eines unverfälschten Dachstuhls mit liegendem Stuhl und mittigen Unterzügen wohl aus dem 17. Jahrhundert mit abgetrennten Giebelräumen und Abseiten mit Lehmausfachungen weitgehend unverändert erhalten.
Das zweite Dachgeschoß, mit dem ersten durch eine einfache Stiege verbunden, entspricht dem Raum über der Kehlbalkenebene. Der Raum ist in seiner ganzen Länge unzertrennt – und hier offenbart sich der Reiz des nicht rechtwinkligen, sondern trapezförmigen Grundrisses des Gebäudes, der durch einen leichten Achsenknick in der Mitte des Gebäudes noch gesteigert wird: Es entsteht ein einem kieloben liegenden Schiff ähnlicher Raum mit besonderer Atmosphäre.
Jedes der fünf Geschosse hat einen vollkommen unterschiedlichen Charakter: Das Kellergeschoß ist archaisch, das Erdgeschoß scheint noch manches Geheimnis zu bergen, das Obergeschoß ist im positiven Sinne funktional, das erste Dachgeschoß ist ursprünglich, das zweite Dachgeschoß fast elegant.
Das Pfarrhaus befindet sich in keinem schlechten baulichen Zustand, hat aber durch unsachgemäße Umbauten und sogenannte Sanierungen sowie durch das Hochwasser des Jahres 2002 und nachfolgenden Instandhaltungsstau einige gravierende Schäden davongetragen.
Neben dem bereits erwähnten nur barbarisch zu nennenden Einbau einer Garage in das wohl mittelalterliche Gewölbe zu DDR-Zeiten sind auch die in der Mitte der neunziger Jahre durchgeführten Arbeiten nur teilweise als fachgerecht zu bezeichnen. Währenddem die neuen Holzfenster und die Dachdeckung in Tonbibern gut zum Gebäude passen, dürfte die auf den ersten Blick optisch ansprechende Sanierung der Außenfassade aus bauphysikalischer Sicht eher problematisch sein, ebenso wie die bislang nur unzureichend gegen Feuchtigkeit gesperrten hangseitigen Wände.
Aufgrund der Hanglage des Gebäudes konnte das Hochwasser des Jahres 2002 nur die Decke zwischen Kellergeschoß und Erdeschoß erreichen, infolgedessen brach jedoch der Gewölberest, der über der erwähnten Garagendecke verblieben war. Das Gewölbe wurde von der Kirchgemeinde zwar in statisch-konstruktiver Hinsicht saniert, nicht jedoch die darüber liegenden Räume des Erdgeschosses.
Offene Häuser wird das Pfarrhaus Schritt für Schritt instand setzen und nutzbar machen. Dafür ist von großem Vorteil, dass die Geschosse schubladenartig einzeln von außen zugänglich sind, die Geschosse somit eines nach dem anderen bearbeitet werden können.
Nachdem das Obergeschoß bereits jetzt wieder uneingeschränkt nutzbar ist, wird das Erdgeschoß folgen, sodann das erste und danach das zweite Dachgeschoß.
Das Pfarrgrundstück
Das Pfarrgrundstück ist – vom Marktplatz abgesehen – mit deutlichem Abstand das größte Flurstück im Zentrum des Ortes. Dies dürfte damit zusammenhängen, daß an dieser Stelle – östlich an das Haus anschließend, die alte Kirche des Ortes stand, die wohl 1514 / 1515 errichtet worden war.Auf einer Darstellung aus dem Jahre 1882 ist ein überaus stattlicher einschiffiger Bau mit gotischen Spitzbogenfenstern und einem achteckigen, von einer barocken Haube gekrönten Turm zu erkennen.
„Da die alte Kirche, nachdem sie 368 Jahre der Gottesverehrung gedient, baufällig geworden war, wurde im Dezember 1882 ein Neubau beschlossen. … Die alte, an den Fels angebaute Kirche wurde im Winter 1883/1884 bis auf die Höhe der untersten Empore abgetragen und mit dem Schutt der innere Raum des Schiffes ausgefüllt. Die so entstandene Terrasse, die noch ein deutliches Bild von den ehemaligen Umfassungsmauern der alten Kirche gibt (sie war sehr schmal, hatte aber 3 Emporen übereinander) ist in ein anmutiges Gärtchen des Pfarrgrundstückes umgewandelt worden, während die darunter befindliche Sakristei, die nicht mit verschüttet ist, gegenwärtig als Kellerraum dient.“
Der Pfarrgarten erstreckt sich in Form zweier etwa dreißig Meter langer und sieben bzw. zehn Meter breiter Terrassen parallel zum Hang. Die obere dürfte der wie vorstehend beschriebenen verschütteten alten Kirche entsprechen, die untere dem ehemaligen Kirchplatz. Von der unteren ist die beschriebene Sakristei bis heute zugänglich. Am östlichen Ende des Pfarrgartens ist noch die alte Kirchtreppe vorhanden, die ursprünglich Marktplatz und Kirchplatz miteinander verband.
Beide die Terrassen jeweils nach oben hin abschließenden Brauchsteinmauern sind sehr stark schadhaft, weil die Instandhaltung jahrzehntelang unterblieben war. Bei der oberen Mauer ist zudem auch der genaue Grenzverlauf und somit die Frage der Baulast strittig.
Offene Häuser wird die untere Mauer, die der alten Außenmauer der Kirche entspricht, (und je nach Ausgang der Grenzfeststellung ggf. auch die obere) in den nächsten Jahren fachgerecht sanieren. Vom Ausgang der statischen und bauhistorischen Untersuchungen wird abhängen, ob in diesem Zuge gegebenenfalls sogar die seit mehr als einhundert Jahren als Lagerraum genutzte ehemalige Sakristei wieder zugänglich gemacht werden kann.
Konzept
Offene Häuser plant, das ehemalige Pfarrhaus Stadt Wehlen als Seminarhaus, Herberge und Ort der Begegnung zu nutzen. Zudem sollen Teile des Gebäudes und des Geländes der Kirchgemeinde für Veranstaltungen zur Verfügung stehen.Ausgehend von den Erfahrungen, die Offene Häuser an anderen Orten gesammelt hat, soll das ehemalige Pfarrhaus in Wehlen zu einem Selbstversorger- und Seminarhaus entwickelt werden, das auf überregionalen Vernetzungen basiert, zugleich aber lokale und regionale Bezüge pflegt.
Neben der Nähe zu Dresden sind hier insbesondere auch Verbindungen ins benachbarte Tschechien zu sehen, die aufgrund dessen, dass Offene Häuser seit Jahren einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit in der Zusammenarbeit mit Initiativen in Osteuropa gelegt hat, teilweise bereits vorhanden sind, teilweise durch die Betreibung des Hauses entstehen werden.
Zudem können Erfahrungen und Kontakte aus dem Umfeld des ehemaligen Rüstzeitheimes im nahe gelegenen Rathewalde, das Offene Häuser seit 2004 als Herberge betreibt, einfließen, von Fall zu Fall sind auch Projekte denkbar, die beide Herbergen einbeziehen.
Trotz der geringen Entfernung wird sich der Schwerpunkt beider Häuser jedoch unterscheiden – während das Haus in Rathewalde aufgrund seiner Lage direkt am Nationalpark eher umweltpädagogische Themen bedient oder von Wanderern genutzt wird, soll das Pfarrhaus in Stadt Wehlen eher für Bildungsangebote des Netzwerks Offene Häuser sowie für die anderer Träger offen stehen.
Die Voraussetzungen dafür erscheinen ideal – unweit einer größeren Stadt wie Dresden und dennoch im ländlichen Gebiet, in einem stillen kulturvollen Städtchen gelegen, umgeben von der Elbe auf der einen und den Bergen auf der anderen Seite, durch die S-Bahn und die Fähre exzellent an den öffentlichen Nahverkehr angebunden.
Der Ausbau des Hauses wird in zwei Phasen erfolgen. Nach Abschluß der ersten Phase wird die Kapazität des Hauses 24 Betten, nach Abschluß der zweiten Phase mehr als 30 Betten betragen.
Die oberen Geschosse werden ausschließlich den Gruppen, die im Haus zu Gast sind, zur Verfügung stehen. Das Obergeschoß wird dabei den zentralen Bereich bilden, es wird Übernachtungsmöglichkeiten für 24 Personen sowie einen großen Seminarraum enthalten. Im darüber liegenden ersten Obergeschoß werden weitere Übernachtungsmöglichkeiten sowie die sanitären Anlagen entstehen. Das zweite Dachgeschoß soll als schlichter, ungeteilter großer Raum erhalten werden.
Im sowohl durch das innenliegende Treppenhaus als auch separat vom Garten her zugänglichen Erdgeschoß werden die Selbstversorgerküche und der Speiseraum Platz finden, außerdem weitere sanitäre Anlagen mit Toiletten, Waschbecken und Dusche. Befindet sich keine Gruppe im Hause, kann diese Etage somit auch von der Kirchgemeinde oder von anderen Interessierten für eigene Veranstaltungen genutzt werden.